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Birnen: Unerwartet vielfÀltig

Neben dem Apfel fĂŒhren Birnen oft ein Schattendasein. Dabei sind sie so vielseitig einsetzbar wie kaum eine andere Obstart. Höchste Zeit, die Birnenvielfalt ins Rampenlicht zu stellen.

242 Treffer listet unser Sortenfinder auf, wenn man nach Birnen sucht; von der ‘Aenisbirne’ bis zur ‘ZweiĂ€uglerbirne’. Eine molekulargenetische Untersuchung der Forschungsanstalt Agroscope hat sogar 840 verschiedene Birnensorten in der Schweiz identifiziert. Bei weitem nicht jede dieser Birnen zerfliesst saftig-sĂŒss im Mund und ist ein unmittelbarer kulinarischer Hochgenuss. Das musste ich selber feststellen, als wir vor sechs Jahren unser Haus kauften, vor dem zwei riesige, vollbehangene ‘Schweizer Wasserbirnen’-BĂ€ume standen. Der Biss in die Frucht war nichts Erfreuliches. Zum GlĂŒck merkten wir bald, dass sie eine perfekte Mostbirne abgab und seither bin ich grosser Fan von ihr.

Gewusst wie

Bei Birnen ist das A und O, dass man den richtigen Verwendungszweck kennt. Grob unterscheidet man zwischen Tafel-, Most-, Dörr- und Kochbirnen, wobei eine Sorte auch in mehreren Kategorien brillieren kann. Eine Tafelbirne, also eine Birne, die man unverarbeitet, frisch geniessen kann, ist oft sĂŒss und schmelzend. Ihr fehlen die Gerbstoffe fast komplett. Das macht sie zwar bekömmlich, Most aus ihr wĂ€re aber langweilig. Beispiele fĂŒr Tafelbirnen sind ‘Alexander Lucas’, ‘Amanlis Butterbirne’, ‘Clapps Liebling’ und die ‘FrĂŒhe von TrĂ©voux’.

Most- oder auch Brennbirnen hingegen dĂŒrfen mehr «Chuscht» haben, damit der Most interessant wird. Entsprechend hoch ist ihr Gerbstoffanteil. Neben der bereits erwĂ€hnten ‘Schweizer Wasserbirne’ sind das unter anderem die ‘Knollbirne’, die ‘Ottenbacher Schellerbirne’, die ‘Theilersbirne’ und die ‘Wahlsche Schnapsbirne’. Aus Mostbirnen wird auch das traditionelle Birnel hergestellt. Dieser eingedickte Birnensaft ist ein gesunder Zuckerersatz und gehört meiner Meinung nach in jede KĂŒche.

Tafelbirnen wie die ‘Clapps Liebling’ eignen sich prima zum Rohverzehr.

FĂŒr traditionelle Rezepte

Einige Birnensorten sind beim Rohgenuss sehr adstringierend, das heisst, sie verursachen ein unangenehmes, pelziges MundgefĂŒhl. Dies wird jedoch schwĂ€cher, wenn die Frucht erhitzt wird, weshalb sich diese Birnen bestens zum Kochen und Backen eignen. Ihr könnt zu Testzwecken eine adstringierende Birne in der Mikrowelle erhitzen und sie danach nochmals probieren. Ihr werdet den Unterschied bemerken. Beispiele fĂŒr Kochbirnen sind die ‘Hanslibirne’ und die ‘BĂŒschelibirne’.

Dörrbirnen, also Birnen, die im Ofen oder im Dörrapparat gedörrt und somit haltbar gemacht werden, zeichnen sich durch einen hohen Zuckergehalt und eine dickere Schale aus. Hier ist es entscheidend, den richtigen Zeitpunkt zum Dörren zu erwischen. Meist ist dies nicht direkt nach der Ernte, sondern erst wenn sie etwas teigig, also im Inneren weich werden. Das RĂŒsten wird dann zwar zur klebrigen Angelegenheit, aber gedörrt schmecken sie schon fast nach Caramel; die perfekte Zutat fĂŒr leckeres Birnenbrot und Birnenweggen. Typische Dörrbirnensorten sind die ‘BĂ€riker’, die ‘Luzeiner LĂ€ngler’ – bzw. generell alle ‘LĂ€ngler’-Sorten, und die ‘Toggenburger Schafenbirne’, aus der traditionell der «Schlorzifladen», eine WĂ€he aus passierten Dörrbirnen und Rahmguss, hergestellt wird.

Ein Fast-Alles-Könner: Die ‘Hanslibirne’, eine Kochbirne, eignet sich auch zum Dörren und sogar zum Rohessen.

Der richtige Zeitpunkt

Das Timing ist bei den Birnen generell wichtig – und nicht ganz einfach. Einige Sorten kann man direkt nach der Ernte essen, andere mĂŒssen erst noch einige Wochen lagern bis sie gegessen oder verarbeitet werden können. Im Sortenfinder ist deshalb bei jeder Sorte angegeben, wann sie ernte- und wann genussreif ist. Gewisse Sorten werden nie schmelzend, sondern direkt teigig und brĂ€unlich im Inneren. Das ist aber keine FĂ€ule und fĂŒr gewisse Verarbeitungsmethoden (siehe oben Dörren, oder auch Mosten) kann sie noch problemlos genutzt werden. Ich mag sie dann sogar besonders gerne zum frisch essen – in meiner Familie bin ich aber der einzige mit dieser Vorliebe 😊. Im Gegensatz zu Äpfeln werden Birnen ĂŒbrigens nie mehlig.

BirnbÀume können bis zu 20 Meter hoch werden und prÀgen das Landschaftsbild von ObstgÀrten.

Birnen im Garten

Im Garten sind BirnbĂ€ume vielseitig einsetzbar. Schon im Barock hat man sie entlang von WĂ€nden und Mauern zum Spalier gezogen. DafĂŒr eignen sich Tafelbirnen ganz besonders, nicht zuletzt deshalb, weil sie auf einer angenehmen PflĂŒckhöhe reifen. MostbirnenbĂ€ume hingegen können im Alter bis zu 20 Meter hoch werden und sind in ObstgĂ€rten oft das landschaftsprĂ€gende Element. GrundsĂ€tzlich kann man wohl jede Sorte in jede Form ziehen, sofern sie auf die passende Unterlage veredelt wurde – aber eine Wasserbirne als Spalier zu ziehen fĂ€nde ich dann doch komisch


Die Wasserbirne ergibt ĂŒbrigens nicht nur leckeren Most, sondern ich koche sie auch zusammen mit Weisskohl und bringe so die SĂŒsse rein, welche normalerweise mit Weinbeeren geschaffen wird – die oft von weit her stammen.

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