Wenn im winterlichen Garten knorrige Köpfe ihre kahlen Ruten gen Himmel strecken, freut das nicht nur die Insektenlarven, die in den Ritzen und Hohlräumen gut geschützt überwintern, sondern auch die Gartenbesitzer:innen. Denn Kopfweiden sind in vielerlei Hinsicht eine Bereicherung.
Rund 450 Weidenarten gibt es weltweit, 30 davon kommen natürlicherweise in der Schweiz vor. Unsere Vorfahren bauten Weiden für verschiedene Zwecke an: Korbflechterinnen setzten auf möglichst lange, unverzweigte Ruten, Imker konzentrierten sich auf Weiden mit frühblühenden, grossen Weidenkätzchen und Winzerinnen fanden vor allem für dünne, biegsame Ästchen, mit denen sie die Reben aufbinden konnten, Verwendung. So wurde – bewusst oder unbewusst – nach ganz unterschiedlichen Kriterien selektioniert und es entstanden mit der Zeit Sorten, die sich von den Wildarten unterschieden. Heute sind die meisten der ehemaligen Nutzungsformen von Karton und Plastik verdrängt worden und die alten Weidensorten sind nicht mehr so gefragt. ProSpecieRara hat deshalb 30 dieser Sorten in ihr Erhaltungsprogramm aufgenommen, um sie vor dem Verschwinden zu bewahren.

Kopfweiden formen – so geht es
14 dieser Sorten gehören Arten an, die sich zur Kopfweide formen lassen. Sie können also auf einer beliebigen Höhe immer wieder zurückgeschnitten bzw. auf den Kopf gesetzt werden und brauchen verhältnismässig wenig Platz. Fahl-, Silber- und Hanfweiden kommen besonders gut mit dieser Schnittform zurecht. Aber auch Mandel-, Blend- und Reifweiden akzeptieren den Schnitt.
Sobald der Boden im Frühling aufgetaut ist, kann eine frisch geschnittene, mehrjährige Rute der gewünschten Weidensorte gepflanzt werden. Dazu spitzt man das untere Ende an, befreit sie komplett von Ästen und steckt sie 25–30 cm tief ins Erdreich, das bei dichtem Boden vorgängig gelockert worden ist. Die Länge der Rute definiert die spätere Kopfhöhe. Nun heisst es: gut feucht halten.
Zur Erziehung des Baums entfernt man das ganze Jahr über regelmässig alle Zweiglein, die unterhalb der gewünschten Kopfhöhe spriessen. In den ersten zwei bis drei Jahren werden zudem jährlich im Februar auch die Kopfzweige komplett zurückgeschnitten, wobei hier kurze, ca. 2–3 cm lange Zapfen stehen gelassen werden. Danach kann je nach Verwendungszweck weiterhin jährlich oder auch im Abstand von bis zu fünf Jahren zurückgeschnitten werden. Falls mehrere Kopfweiden gepflanzt werden, lohnt es sich, nicht alle im gleichen Jahr zu schneiden, da sie im Schnittjahr keine Weidenkätzchen ausbilden und somit nicht als frühe Nektarquelle für Insekten dienen.

Wertvoller Lebensraum
Während Weiden früher primär aus funktionalen Gründen – zum Beispiel auch zur Gewinnung von Laubfutter für die Tiere – zu Köpfen gezogen wurden, dienen sie heute als Augenweide und als wichtiger Lebensraum für zahlreiche Tierarten. Vom weichen Weidenholz profitieren Käferarten wie der Rosenkäfer, der Weber- oder der Moschusbock. Auch die Raupe des Weidenbohrers, ein nachtaktiver, grosser Schmetterling, mag das weiche Holz. Seine fingerlangen Raupen können jedoch vor allem bei alten Weidenbeständen zum Problem werden, weil sie bei starkem Befall ganze Bäume zum Absterben bringen können. Andere Schmetterlingsraupen sind auf den Weidenblättern anzutreffen. So z. B. der Trauermantel und der Schillerfalter. In den Nischen und Höhlen, welche knorrige, hochstämmige Kopfweiden bilden, finden Höhlenbrüter wie Wendehals und Gartenrotschwanz, aber auch Fledermäuse ein Zuhause.
Weidensorten erhalten
Wer Platz im Garten hat, ist herzlich eingeladen, zur Weidensortenerhaltung beizutragen. Alle Infos dazu finden sich unter www.prospecierara.ch/weiden