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Die Krux mit alten Stachelbeeren

Während man die namensgebenden Dornen noch als pikante Herausforderung mit Aussicht auf schmackhafte Ernte betrachten kann, ist der Stachelbeermehltau bei alten Sorten ein ständiges Damoklesschwert. Von Lust und Frust im Hausgarten.

Foto: Markus Zuber, Küttigen

Noch heute schwärmen mir Menschen aus ihren Kindheitserinnerungen von "Chrosle" aus dem Garten der Grosseltern vor. Die alten Stachelbeersorten übertrumpfen sich teilweise geradezu in Grösse und Wohlgeschmack – wobei die grössten Früchte nicht immer auch die besten sind. Die Fülle an Formen und Farben hat vor allem mit der regen Züchtungsarbeit in England des 18. und 19. Jh. zu tun. Aufgrund der historischen Literatur kann man davon ausgehen, dass es in Europa einst mehr als 700 Stachelbeersorten gab, damals alles Abkömmlinge der heimischen Stachelbeere Ribes uva-crispa. Zur Hochblüte der Stachelbeerkultur fanden in England jährlich Wettbewerbe in über 100 Stachelbeerclubs statt, wo die schwersten und schönsten Schaufrüchte ausgezeichnet wurden. Heute sind die meisten Vereine verschwunden, aber ein paar wenige passionierte Züchter:innen sind immer noch aktiv. Der letzte Gewichtsrekord wurde im August 2019 mit einer Frucht der neueren Sorte 'Millennium' an der "Egton Bridge Gooseberry Show" aufgestellt: 64.83 Gramm! Das ist etwa so schwer wie ein grosses Hühnerei.

Die ProSpecieRara-Sorte 'Leveller' kann Beeren über 40g Gewicht hervorbringen.

Der tiefe Fall einer Hochkultur

Was hat zum Niedergang der einst so reichen europäischen Stachelbeerkultur geführt? Um 1900 findet sich in England die erste Meldung zum Auftreten des Amerikanischen Stachelbeermehltaus. Diese Pilzart kommt ursprünglich in Nordamerika vor und befällt dort heimische Stachelbeerarten. Die europäische Stachelbeere und ihre Zuchtformen haben keine natürlichen Abwehrmechanismen gegen diesen Pilz, die Stachelbeerenplantagen konnten also nicht mehr gewinnbringend bewirtschaftet werden. Da alte Sorten meist besonders stark befallen werden, können sie mit wenigen Ausnahmen nur noch bedingt für den Hausgarten und für den biologischen Anbau empfohlen werden. Das ist auch der Grund, warum viele ProSpecieRara-Sorten gar nicht erst im Pflanzenhandel angeboten werden. Ab den 1950er-Jahren wurden in Europa amerikanische Stachelbeeren eingekreuzt, weshalb von da an die meisten Züchtungen einigermassen mehltauresistent sind. Sie waren aber kleinfruchtiger und kamen geschmacklich meist nicht an die Europäerinnen heran. Unter den ProSpecieRara-Sorten gibt es ein paar empfehlenswerte Beispiele: 'Resistenta', 'Robustenta', 'Poorman', 'Captivator' und 'Perle der Mark' (= 'Rochusbeere').

Ein lockerer Auslichtungsschnitt und eine ausgewogene Nährstoffversorgung können dabei helfen, Mehltau vorzubeugen.

Befall und Symptome

Erste Symptome werden meist im Frühjahr bei bevorzugt feuchtwarmen Bedingungen sichtbar. Der Pilz breitet sich nicht nur auf den Triebspitzen, sondern auch auf den heranreifenden Früchten aus und zeigt sich als weisse, pulvrige Schicht. Später werden die Pilzrasen im Zuge der Sporenbildung braun. Leicht befallene Früchte können noch verwendet werden, sehen aber unappetitlich aus und sind aromatisch verfälscht. An den laublosen Wintertrieben erkennen wir den Mehltau als graubraune bis schwärzliche, fleckige Verfärbungen und, bei stärkerem Befall, einen etwas deformierten Wuchs. Stachelbeermehltau kann in geringerem Masse auch die grünen Pflanzenteile von Johannisbeeren befallen, wobei die schwarzen Johannisbeeren anfälliger als die roten sind. 

Vorbeugung und Bekämpfung

Was kann man im Hausgarten gegen Stachelbeermehltau unternehmen? Vorbeugend ist ein lockerer Auslichtungsschnitt empfohlen, denn in feuchtwarmem Mikroklima von dichten Sträuchern fühlt sich der Pilz besonders wohl. Stickstoffreiche Düngung der Pflanzen fördert Mehltau, weshalb auf eine ausgewogene Nährstoffversorgung geachtet werden soll. Befallenes Holz muss beim Winterschnitt um mindestens ein Drittel eingekürzt und abgeführt werden, denn hier überwintert der Pilz. Zur Vorbeugung und Bekämpfung während der Wachstumsperiode eignen sich biologische Mittel auf Fenchelölbasis (z.B. Fenicur), wobei hier eine wöchentliche Anwendungskadenz empfohlen ist. Viele alte Stachelbeersorten reagieren auf Schwefelbehandlungen mit Blattfall, weshalb nur eine Spritzung kurz vor dem Austrieb empfohlen werden kann. Präparate auf der Basis von Kaliumhydrogencarbonat (Backpulver) können ebenfalls toxisch auf die Pflanzen wirken und sind zudem unwirksam bei bereits sichtbarem Befall durch Mehltau (Wenneker 2016). Pflanzenstärkungsmittel wie Auszüge aus Schachtelhalm und Brennnessel oder Kieselgurpräparate können helfen, wenn sie im Frühjahr regelmässig gespritzt werden.

Pflanzen für Liebhaber:innen

Nur unter guten Standortbedingungen und mit der entsprechenden Zuwendung können die alten europäischen Sorten noch überleben und mit ihren Früchten erfreuen. An manchen Orten funktioniert die Kultur einige Jahre gut, bis dann der Mehltau plötzlich massiv zuschlägt und sich hartnäckig festsetzt. Wer nicht die Zeit und Musse für die aufwändige Pflege hat und eher eine niedrige Frustrationstoleranz, dem empfehlen wir die Handvoll der genannten resistenten Sorten oder aber robuste Neuzüchtungen.

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