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Erdbeere 'Wädenswil 6' – Schweizer Kulturgut

Sie war lange Zeit DIE Schweizer Gartenerdbeere schlechthin. Aber auch heute kann sie mit ihren Qualitäten noch überzeugen.

Zwei Erdbeeren auf Blatt liegend
© Markus Zuber, Küttigen

'Wädenswil 6' – kein wirklich einladender Name, eher schweizerisch bürokratisch... Wie er vermuten lässt, wurden vorher auch die Sorten Wädenswil 1-5 kreiert. Zwei davon sind Vorläufersorten, mit denen unsere 'Wädenswil 6' unter Einkreuzung weiterer Sorten 1954 von der Forschungsanstalt Wädenswil gezüchtet wurde. Nur Nummer 6 der insgesamt 9 Selektionen aus der Wädenswil-Reihe fand weite Verbreitung und zählt noch heute zu den Klassikern im Hausgarten. Das ist kein Wunder, ist sie doch sehr aromatisch, tiefrot, mit zartem Fruchtfleisch und relativ unproblematisch im Anbau. Die Fruchtform variiert von herzförmig bis rundlich, aber wir finden bei genauerer Betrachtung ein charakteristisches Merkmal: an der Fruchtbasis unter den Kelchblättern zeigt sich eine breite «nüsschenfreie Zone». Also ein Bereich, der frei von auf der Beerenhaut eingesenkten Samen ist.

Reife Erdbeere an Pflanze hängend
Wegen ihres weichen Fruchtfleisches ist die ‘Wädenswil 6’ kaum transportfähig und nicht im Handel zu finden. Für den Hausgarten eignet sie sich bestens.

Die perfekte Erdbeere für den Hausgarten

Als ProSpecieRara Anfang dieses Jahrtausends im Auftrag des Bundes ein Beeren-Sorteninventar durchführte, wurde die 'Wädenswil 6' mit Abstand am meisten eingeschickt. Im Handel als Frischobst ist sie – falls sie überhaupt jemals gehandelt wurde – jedoch verschwunden. Denn ihr Fleisch ist zu weich, als dass die Frucht bis in den Laden unversehrt bliebe. Umso attraktiver ist die Sorte deshalb für den Hausgarten, wo der Transportweg im besten Falle nur gerade eine Armlänge ist. Dann kommt ihr würzig-blumiges Aroma, das an Walderdbeeren erinnert, voll zum Tragen. Dank ihres tiefroten Fruchtfleisches ist sie auch zum Verarbeiten bestens geeignet und verleiht der Konfi oder dem Püree eine attraktive, erdbeerige Farbe.

Vielfalt bedeutet Sicherheit

Verglichen mit anderen Beerenarten kommen bei den Erdbeeren überdurchschnittlich viele neue Sorten auf den Markt. Dies einerseits, weil Erdbeeren beim Beerenobst das grösste Marktvolumen stellen und der ökonomische Anreiz am grössten ist. Andererseits aber auch, weil die Art kürzere Generationszeiten hat als klassische Strauchbeeren wie Himbeeren oder Johannisbeeren. Nach einer Kreuzung vergeht nur gerade ein Jahr, bis aus den Samen ertragsfähige Pflanzen herangewachsen sind.

Vielfalt erfreut nicht nur das Auge und den Gaumen, sondern bedeutet auch Sicherheit.

Ein Grund, weshalb es immer wieder neue Sorten braucht, sind Krankheitserreger wie Viren und Pilze, die den Erdbeeren das Leben schwer machen. Die Zucht ist ein ständiger Wettlauf zwischen Mensch und Schadorganismen. Kommt eine neue Sorte mit den aktuellen Mehltauerregern gut zurecht, ist es oft eine Frage der Zeit, bis sich diese Erreger angepasst haben oder neue, fremde Schadorganismen eingeschleppt werden. Die Wahrscheinlichkeit für eine Anpassung der ansässigen Krankheitserreger ist grösser, wenn Erdbeeren grossflächig angebaut werden und der Erreger sich zahlreich vermehren kann. Deshalb empfiehlt es sich auch hier, möglichst viele verschiedene Kulturen anzubauen.

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