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Der Mehrsortenbaum als Lösung

Wer nur begrenzten Platz im Garten hat, aber nicht auf verschiedene leckere Obstsorten verzichten möchte, könnte am Mehrsortenbaum Gefallen finden.

FĂ€llt dir an diesem Foto etwas auf? Sehr wahrscheinlich schon, denn man braucht weder Expertin noch Experte zu sein, um zu erkennen, dass hier gelbe und blaue Zwetschgen am selben Baum wachsen. Mit Photoshop und digital umgefĂ€rbten FrĂŒchten hat das aber nichts zu tun. Ebenso wenig mit Gentechnik oder anderen modernen ZĂŒchtungsverfahren. Im Gegenteil, die Technik, die hinter diesem Baum steckt, ist uralt. Schon die Römer kannten sie.

Eine RumÀnin im Baselbiet

Die gelbe Zwetschge links im Bild ist die ‘Gelbe aus Oltingen’. Sie wurde ProSpecieRara 2010 in Obhut gegeben. Drei Alt- und drei JungbĂ€ume standen damals noch in Oltingen/BL. Dort wurde sie «Aprikosenpflaume» genannt, weil die gereiften FrĂŒchte eine dunkelgelbe Farbe annehmen, die an Aprikosen erinnert. Erst in diesem Zustand entfaltet die Sorte auch ihr aussergewöhnlich gutes Aroma – es lohnt sich also, sich etwas in Geduld zu ĂŒben. Als erstes versuchten wir herauszufinden, ob sie einer bereits bekannten Sorte entspricht oder nicht. Und tatsĂ€chlich stellten wir im Wissensaustausch mit auslĂ€ndischen Pomolog:innen fest, dass sie der ‘Rudolphspflaume’, einer Sorte, die 1842 in SiebenbĂŒrgen, im heutigen RumĂ€nien, erstmals beschrieben wurde, entspricht. In der Schweiz war sie jedoch nie unter diesem Namen bekannt, sondern wurde ĂŒber die Jahre als ‘Gelbe aus Oltingen’ gefĂŒhrt, verbreitet und abgesichert. Deshalb entschieden wir uns, diesen Namen beizubehalten.

Gelbe Zwetschge aufgeschnitten auf Gras liegend
Die 'Gelbe aus Oltingen'

Mehrere Sorten – ein Baum

Aber wieso wĂ€chst sie nun auf dem gleichen Baum wie die blaue Sorte ‘Anna SpĂ€th’ rechts im Bild? Das Zauberwort heisst «Veredelung». Steckt man den Kern oder den Stein einer Frucht in die Erde, wĂ€chst daraus zwar ein Jungbaum, aber wenn er nach einigen Jahren FrĂŒchte ausbildet, entsprechen diese meist nicht mehr der Ursprungssorte. Das ist so, weil der Kern oder Stein das Produkt einer Kreuzung ist: Bienen haben Pollen einer anderen Sorte in die BlĂŒte gebracht. Viele Obstarten sind Fremdbefruchter und sogar selbststeril, d.h. sie können nicht mit Pollen der gleichen Sorte bestĂ€ubt werden. Äpfel- und Birnensorten sind praktisch alle selbststeril, wĂ€hrend es bei Kirschen und Zwetschgen sich selbstbefruchtende Sorten gibt.

Veredelte Äste
Wer die Technik des Veredelns beherrscht, kann verschiedene Sorten auf einen Baum propfen. Vorausgesetzt, sie entstammen derselben Art: Einen Birnbaum mit Apfelsorten zu veredeln ist nahezu unmöglich.

Möchte man nun einen neuen Baum der genau gleichen Sorte ziehen, muss man ihn veredeln, also vegetativ vermehren. Das Veredeln ist ein Vorgang, bei dem ein Edelreis, also ein einjĂ€hriger Zweig der gewĂŒnschten Sorte, mit einer Unterlage, also einem bereits vorhandenen Stamm oder einem Hauptast eines Baumes, vereint wird. Es gibt verschiedene Techniken, wie und wann genau eine Veredelung gemacht werden kann. Auf unserer Website und natĂŒrlich in unseren Obstkursen gibt es mehr Informationen dazu. Das Rindenpfropfen im frĂŒhen FrĂŒhling ist eine auch bei Laien erfolgreiche Technik.

Und so ist es eben auch möglich, mehrere Sorten auf einen Baum zu pfropfen und so einen Mehrsortenbaum zu erhalten. Das ist speziell im Hausgarten, wo nur wenig Raum vorhanden ist, eine platzsparende Variante, um trotzdem mehrere Sorten zu pflegen – und zu geniessen.

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